Mittwoch, 27. Februar 2013

Aufgedeckt! - ein Skandaldesigner© packt aus!



Wolfgang Schwerdt im Gespräch mit Scan Dahl (Name wurde geändert)

Wolfgang Schwerdt
Scan Dahl

In der letzten Zeit häufen sich die Skandale, man denke da nur an Pferdefleisch in der Lasagne, Zeitarbeit bei Amazon, Rücktritt des Papstes oder falsch deklarierte Hühnereier. Schon fast in Vergessenheit geraten: Ärztepfusch, Krankenhauskeime, Doktorarbeiten, Berliner Flughafen, Finanz- und Bankenskandale, Sexismusskandal, Verfassungsschutzskandal und vieles andere mehr. Manche dieser Skandale halten sich länger, manche schaffen es nicht mal in die top ten der medialen Bestseller. Schon lange wird in gewöhnlich gut satirisierenden Kreisen spekuliert, dass ein System dahinterstecken könnte. Oft wirken Zeitpunkt und Art der Skandalenthüllungen aufeinander abgestimmt und so manch aufmerksamem Beobachter beginnen gewisse Gemeinsamkeiten der Skandalzyklen aufzufallen. Und nachdem erst kürzlich auf Facebook und Twitter der Begriff Skandaldesigner © auftauchte, hat sich nun mit Scan Dahl auch jemand gefunden, der – im Gespräch mit Wolfgang Schwerdt – erstmals ganz offen (allerdings inkognito) über die Existenz einer geheimen Skandalindustrie redet, deren Protagonisten wie Dahl selbst professionell ausgebildete Skandaldesigner© sind.

Schwerdt: Herr Dahl, sie haben sich bereiterklärt, mit „Alien-Connections“ über die Skandalindustrie zu reden. Sie selbst waren jahrelang sogenannter Skandaldesigner©, eine Berufsbezeichnung, die in der Öffentlichkeit bislang noch gar nicht bekannt war. Heute lehren Sie nach eigener Aussage Skandaldesign© an der Universität des Verfassungsschutzes. Was ist eigentlich ein Skandaldesigner© und warum haben wir bisher noch nichts davon gehört?

Dahl: Eigentlich gibt es den Beruf des Skandaldesigners© als langjährigen Ausbildungsberuf aber auch als Studiengang bereits seit der Wiedervereinigung. Das hatte damals mit den Stasiakten zu tun. Immerhin war die Gefahr groß, dass nicht nur die Stasivergangenheit der samt Vermögen nahtlos in die bundesdeutsche Parteienlandschaft übergegangenen  Blockparteien, sondern auch die westdeutscher Politiker ans Tageslicht kommen könnte. Immer wenn diese Gefahr drohte, mussten zur Ablenkung irgendwelche Skandale her. Am Anfang war das noch einfach, denn man hatte ja mit der PDS und dem SED-Vermögen eine hervorragende Projektionsfläche für Ablenkungsmanöver. Mit der Zeit aber wurde es schwieriger, denn irgendwann erschöpfen sich solche Mechanismen und neue Ideen müssen her. Und so entstand der Beruf des Skandaldesigners. Im Grunde fließen hier die Qualifikationen des Marketing, des Lobbyismus, der Machtpolitik, der Öffentlichkeitsarbeit aber auch der geheimdienstlichen Tätigkeit hinein. Und klar ist: ein Skandal, als dessen Urheber ein Skandaldesigner© auszumachen ist, ist kein Skandal mehr, oder schlimmer noch, lässt sich nicht mehr steuern.

Schwerdt: Das erklärt schon einmal, warum die Öffentlichkeit bislang noch nie etwas von diesem Beruf gehört hat. Aber  nach nunmehr bald 25 Jahren Wiedervereinigung muss doch eigentlich die Luft aus diesem Markt raus sein. Zumindest das Arbeitsfeld Stasivergangenheit müsste doch inzwischen ein Auslaufmodell sein.

Dahl: Ja natürlich, ist es doch schon lange. Es gibt  - wie die aktuelle Gysi-Geschichte zeigt – noch ein paar, die sich damit eher mühsam ihren Lebensunterhalt verdienen, aber im Grunde ist dieser Markt schon seit fast 10 Jahren tot und die Branche hat sich längst weiterentwickelt. Denn der Beruf des Skandaldesigners© verlangt – will er erfolgreich sein – auch ein gehöriges Maß an Kreativität. Und so haben sich die Skandaldesigner© eben neue Arbeitsfelder erschlossen. Korruption von Politikern ist da nur eines der vielen Arbeitsfelder, die in vielerlei Hinsicht interessant sind. Und längst dienen die solide gestalteten Skandale nicht mehr nur der Ablenkung von echten Skandalen, haben nicht mehr nur defensiven Charakter. Es gibt jetzt zunehmend auch die Offensivskandale – wie wir sie in der Branche nennen. Dieses Geschäft floriert inzwischen dermaßen, dass wir tatsächlich Mangel an qualifiziertem Nachwuchs haben. So eine Panne wie mit Brüderle, wo uns ein Laie, eine Hobbyskandaldesignerin ins Handwerk gepfuscht hat, ist ein deutliches Indiz dafür.

Schwerdt: Was meinen Sie mit Offensivskandalen und wie kommt so etwas überhaupt zustande?

Dahl: Skandaldesigner sind Freiberufler, die zur Tarnung in Medien, Parteien, Beratungsunternehmen, Lobbyverbänden oder sonstwo arbeiten und von verschiedener interessierter Seite Aufträge erhalten. Die Auftraggeber können aus der Politik aber auch der Wirtschaft kommen. Bestes Beispiel der Amazon-Skandal. Sie wissen ja, dass es in der Buchbranche heiß her geht und ein ziemlich verbissener Kampf um Marktanteile stattfindet. Die Amazon-Geschichte war diesbezüglich hervorragend konzipiert. Da gab es eine Zeitarbeitsfirma, die Amazon Arbeitskräfte lieferte und diese in Zusammenarbeit mit einem Sicherheitsunternehmen unter menschenunwürdigen Bedingungen unterbrachte. Die Skandalkampagne schaffte es, Amazon zum Täter zu machen und eine Reihe interessanter Fragen bis heute einfach auszublenden. Wenn in den Medien von Zeitarbeit und Verstößen gegen Arbeitsrecht- und Menschenwürde die Rede war, dann immer am Beispiel Amazon – eine zweifellos gelungene Kampagne – andere, vergleichbare Unternehmen wurden gar nicht mehr überprüft.

Schwerdt: Und was hätte es sonst noch für Fragen geben können?

Dahl: Nun ja, uns, die wir die Kampagne geplant hatten, waren da eine ganze Menge eingefallen,  schließlich gehört zu unserer Ausbildung auch noch solides journalistisches Handwerk, durch das wir den meisten der heutigen Medienschaffenden immer einen Schritt voraus sind. Aber die entsprechenden Ablenkungspläne mussten wir nicht einmal aus den Schubladen holen. Da wäre die Frage, für welche Unternehmen die Sicherheits- und die Zeitarbeitsfirma noch gearbeitet haben. Welche Rolle spielen eigentlich die regionalen Job-Center bei der Arbeitskräfte-Beschaffung für Amazon und und und. Na ja, und nicht zuletzt hätte sich natürlich auch die Frage gestellt, warum solche Aufregung über Arbeitsrecht und Menschwürde bei Amazon, angesichts der Situation bei den kirchlichen Einrichtungen – ach ja, dieser Skandal ist ja wieder aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden.

Schwerdt: War letzteres beabsichtigt?

Dahl: Ach wissen Sie Herr Schwerdt, ich werde hier natürlich nicht unsere Auftraggeber nennen. Aber natürlich gibt es auch Synergieeffekte und Interessensgemeinschaften, die man auf den ersten Blick nie miteinander in Zusammenhang bringen würde. Und dann gibt es tatsächlich auch noch ungeplante Skandale, die mit entsprechenden professionellen Instrumenten unter Kontrolle gebracht werden müssen.


Schwerdt: Würden Sie unseren Lesern vielleicht auch dafür  ein Beispiel nennen?

Dahl: Ich denke da an den geschickt abgewehrten Pferdefleischskandal. Als die erste Nachricht – völlig unbeabsichtigt übrigens – von Pferdefleischspuren in der Lasagne an die Öffentlichkeit kam, wussten wir, jetzt muss schnell gehandelt werden. Denn die Gefahr, dass die Hersteller oder Handelsketten in Verruf geraten könnten, weil sie solche Produkte möglicherweise in Kenntnis der Fleischpanschrei - schließlich haben die ja auch ihre Labore – in Umlauf gebracht haben, war natürlich groß. Stattdessen ist es uns gelungen die Supermärkte und Discounter zu Opfern anonymer ausländischer Rohstofflieferanten zu machen und noch bevor jemand länger darüber nachdenkt, den Eierskandal hinterherzuschieben.

Schwerdt: Wollen Sie damit sagen, dass sie die Öffentlichkeit und die Medien beliebig manipulieren können?

Dahl: Na ja, wir sind halt Profis und ein wenig stolz bin ich natürlich schon auf unsere Arbeit. Aber beliebig geht das natürlich nicht, denn auf der jeweils anderen Seite arbeiten ja auch Profis. Aber schauen Sie mal, wenn es bei Amazon gelingt, dieses zum Täter und aus den Handelsketten Opfer zu machen und dabei gleichzeitig die kirchlichen Institutionen aus der Schusslinie zu nehmen, dann ist das doch ein überzeugender Leistungsbeweis der Skandaldesignerbranche. 

Schwerdt: Herr Dahl, wir danken für das Gespräch.

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